Böen vereiteln Alleinfahrt einer Jolle

autonomes Segeln

Wer steuert eigentlich die Jolle? Kein­er, die Jolle segelt autonom: Ein “Jugend-forscht”-Projekt der WVS-Segler Michael Behrens und Till­man Keller. Ein Opti (hin­ten) umkreist die Jolle wie ein Satel­lit (Fotos cvk)

Ein fieser, böiger Nord­wind vere­it­elt am Sam­stag, 23. März, die erste Alle­in­fahrt ein­er autonom segel­nden Jolle im Schier­stein­er Hafen. Autonom segeln? Richtig: zwei 17jährige entwick­el­ten in zwei­jähriger Tüftelei ein Sys­tem, mit dem eine kleine Jolle völ­lig ohne Besatzung Kurs hal­ten und ein Ziel ans­teuern kann. Die bei­den heißen Michael Behrens und Till­man Keller, sind Region­alsieger von “Jugend forscht” und Mit­glieder im Wasser­sport-Vere­in Schier­stein 1921 e.V..

autonom segelnde Jolle

Michael Behrens, Till­man Keller, autonom segel­nde Jolle: Prob­lem sich ver­kno­ten­der Seile

Ein paar Inter­essierte ver­sam­meln sich am WVS-Vere­ins­gelände um den “See­teufel”, eine 420er Jolle. An sich kein beson­deres Boot. Dieses aber schon: Es ist voll­gepackt mit zwei klo­bi­gen Auto­bat­te­rien, jed­er Menge Elek­tron­ik und anderem Tech­nik-Equip­ment sowie kreuz und quer ges­pan­nten kleinen Seilen und Gum­mizü­gen. Es sieht sehr kom­pliziert aus. “Das ist auch unser größtes Prob­lem”, sagt Till­man Keller, “dass sich (bei den sich kreuzen­den Seilen) Knoten bilden”. Und: “Ein men­schlich­er Segler ist immer da und kann aus­gle­ichen …”. Hier nicht. Schließlich: “Elek­tron­ik und Wass­er sind auch ein schwieriges The­ma für sich”, ergänzt Michael Behrens. Wohl war.

Michael Behrens und Till­man Keller haben jet­zt in der Region den Wet­tbe­werb “Jugend forscht” mit ihrem Pro­jekt “autonomes Segelm” gewon­nen. Im WVS trainieren sie bei den Jol­lenseglern mit ihrem Train­er Felix Laukhardt und machen ger­ade ihre Sport­boot­führerscheine Bin­nen und See mit Ralf Hoff­mann, der im WVS für die Aus­bil­dung der Segel-Jugend ver­ant­wortlich zeichnet.

Tat­säch­lich erscheint die Idee des Segelns ohne Skip­per und Crew wie ein Hex­en­werk. Schließlich müssen ja nicht nur plöt­zliche Böen autonom mit Steuer­rud­er und Segel­stel­lung aus­geglichen wer­den, damit das Gefährt in kabbe­liger See Kurs hält, son­dern auch die Gewichtsver­lagerun­gen, die beim Segeln in kleinen Booten notwendig sind. Wie das alles trotz­dem zusam­men­spie­len kann, das haben Michael Behrens und Tilman Keller, die bei­de die zwölfte Klasse des Otto-Schott-Gym­na­si­ums in Mainz besuchen, in ein­er 16seitigen Doku­men­ta­tion für den Wet­tbe­werb “Jugend forscht” sehr genau belegt. Nun ist ja eine Automatik-Steuerung bei großen Yacht­en auf hoher See längst üblich. Doch kaum die autonome Ver­stel­lung der Segel, die bei einem kleinen Segel­boot und häu­figer wech­sel­nden Winden in Bin­nengewässern notwendig wird, um den Kurs zu halten.

Am WVS-Vere­ins­gelände gibt es an jen­em son­ni­gen Sam­stagvor­mit­tag denn auch viele Fra­gen oder Kom­mentare von den Zuschauern. Viel Respekt klingt da durch. Der “See­teufel” kann via Fern­s­teuerung gelenkt wer­den, kann aber auch einem vorbes­timmten Kurs fol­gen oder ein bes­timmtes Ziel ans­teuern. Pro­gram­miert wer­den Kurs und Ziel über ein Note­book und per Funk an die Mast­spitze übertragen.

Nach ein­er Rei­he von Tests auf dem Trock­e­nen geht’s ins Wass­er. Die Jolle wird auf einem Trail­er ins Wass­er geschoben, ein motorisiertes Schlauch­boot mit Olaf Stahl, dem WVS-Abteilungsleit­er Segeln, wartet schon als Begleitfahrzeug.

Till­man Keller justiert die Steuerung des “Seevo­gels”, Michael Behrens und Olaf Stahl warten geduldig im Begleit­fahrzeug und ein Opti umkreist das Ges­pann wie­selflink und neugierig

Und dann geht’s los: Till­man steuert die Jolle per Hand in den Schier­stein­er Hafen,  Michael und Olaf Stahl fol­gen im Schlauch­boot dicht dahin­ter. Öfters nimmt Till­man die Hände von der Steuerung, lehnt sich zurück und lässt das Boot allein seinem elek­tro­n­is­chen vorgegebe­nen Kurs fol­gen … aber ger­ade dann, als man denkt, jet­zt würde er die Jolle sog­ar ver­lassen und ins Begleit­fahrzeug über­wech­seln, kommt wieder eine dieser fiesen Böen, und er muss doch wieder selb­st zugreifen. Län­gere Zeit geht das so. 

Ein klein­er Junge, ver­mut­lich weniger als zehn Jahre alt, umrun­det mit seinem Opti das Ges­pann wie ein Satel­lit — neugierig und wie­selflink. Ein älter­er Junge nähert sich mit ein­er Jolle, eine Bö wirft sein Boot um und ihn ins 10 Grad kalte Wass­er des Schier­stein­er Hafens. Flugs richtet er seine Jolle wieder auf und klemmt sich wieder hin­ter das Exper­i­men­tal­fahrzeug “See­teufel” samt dessen Schlauchboot-Begleitung.

Immer wieder ver­suchen Till­man in der Jolle und  Michael plus Olaf Stahl im Begleit­fahrzeug, den “See­teufel” unbe­man­nt fahren zu lassen. Doch das Risiko bei diesen Wind­ver­hält­nis­sen und allmäh­lich immer mehr im Hafen kreuzen­den Booten ist zu groß. Zurück ans Land, neu justieren … aber an diesem Tage will die besatzungs­freie Fahrt des “See­teufel” nicht mehr gelingen.

Michael Behrens und Till­man Keller: Ver­such erfolgreich

Den­noch wertet Till­man hin­ter­her den Ver­such als Erfolg: “Das Boot hat automa­tisch ges­teuert und auch einige Böen aus­geglichen”, berichtet er. Jet­zt wer­den die bei­den erst ein­mal an ihrer Präsen­ta­tion für die näch­ste Stufe des Wet­tbe­werbs “Jugend forscht” feilen  und dann natür­lich weit­ere Tests im Schier­stein­er Hafen vornehmen. 

Also: Wenn da ein­mal eine kleine Jolle mit gelbem Deck ohne Besatzung daher segelt, ist das kein Geis­ter­schiff, son­dern der gelun­gene Ver­such des autonomen Segelns der bei­den Jugend­forsch­er und WVS-Jugend­segler Till­man Keller und Michael Behrens. Viel Erfolg!

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