2.902 Kilometer mit der „Njörd“ unterwegs

Der Traum viel­er: Als Rent­ner mit der eige­nen Moto­ry­acht den Rhein hinab fahren und dann aufs offene Meer hin­aus. Ohne konkretes Ziel, ohne zeitliche Bindung … 

Brit­ta und Michael Behling haben es getan. Am 6. Mai waren sie von Wies­baden aus ges­tartet und am 22. Sep­tem­ber haben sie ihre Moto­ry­acht „Njörd“ wieder in ihrem Heimath­afen, am Steg 2 des Wasser­sport-Vere­ins Schier­stein 1921 e.V., fest­gemacht. 140 Tage auf ihrer Yacht und 1.567 Seemeilen (2.902 Kilo­me­ter) liegen hin­ter ihnen. Zur offe­nen See dauerte es allerd­ings etwas.

Nach 4 1/2 Monat­en wieder im Schier­stein­er Hafen: Brit­ta und Michael Behling, Moto­ry­acht “Njörd”

Denn Brit­ta und Michael Behling woll­ten in die Ost­see. Und die liegt bekan­ntlich nicht an der Rhein­mün­dung. Also ging’s am Rhein in Duis­burg rechts ab und über mehrere Kanäle nach Lübeck, bis sie dann in Travemünde endlich die offene (Ost)See erre­icht­en. Das hat schon mal drei Wochen gedauert: In den vor allem von der Beruf­ss­chiff­fahrt genutzten Kanälen quer durch den Nor­den Deutsch­lands gilt eine Geschwindigkeits­be­gren­zung von 12 km/h. „Die blitzen da sog­ar“ schmun­zelt Michael Behling beim Erzählen.

Nun, so wesentlich schneller ist die Moto­ry­acht von Brit­ta und Michael Behling allerd­ings auch bei freier Fahrt nicht: Ihre „Njörd“ hat eine Reisegeschwindigkeit von 13 km/h und ver­braucht pro Kilo­me­ter 0,6 Liter Diesel. Nur wenn der Gashebel ganz nach unten gedrückt wird, die „Njörd“ mit ihrem Bug ein wenig aus dem Wass­er hochkommt (es han­delt sich hier um einen 1993 in Hol­land gebaut­en Ver­dränger), sind 23 Kilo­me­ter pro Stunde möglich. Gemäch­lich­es Reisen, der Weg ist das Ziel, lautet also die Devise. Immer­hin muss der 250-PS-Motor der „Njörd“ unter Fahrt zehn Ton­nen Wass­er bei­seiteschieben, so viel wiegt näm­lich die 10,60 Meter lange Yacht. Dafür ist sie mit ihrem 500-Liter-Tank, zwei Kühlschränken, Sitzbade­wanne und mehr für lange Törns bestens ausgerüstet.

Der Weg ist das Ziel: Die “Njörd” in Fahrt auf der Ost­see bei Svendborg

Viere­in­halb Monate auf Kanälen und auf See unter­wegs, das erfordert sicher­lich viel Pla­nung. „Gar nicht“, sagt Michael Behling und seine Frau Brit­ta ergänzt: „Wir woll­ten ein­fach in die Ost­see … Däne­mark gefällt uns“. Der einzige Fix­punkt ihrer Reise war die Kiel­er Woche. Die woll­ten sie unbe­d­ingt erleben, zumal auch ihre Tochter in Kiel lebt. Und sie sahen das ganze Spek­takel mit Wind­jam­mer­pa­rade und Feuer­w­erk tat­säch­lich von einem Logen­platz aus – sie beka­men einen Liege­platz am Seefis­chmarkt an der Schwen­tine-Mün­dung. Doch bis dahin waren sie ja schon einige Wochen unter­wegs, an Fehmarn vor­bei und mit einem Umweg über ein paar dänis­che Häfen.

Genau­so Glück mit einem Liege­platz hat­ten sie auf der Rück­reise, als sie über den Nor­dost­see-Kanal in Ham­burg anlegten: Da lagen sie direkt gegenüber der Elbphil­har­monie beim Feuer­schiff im Stadthafen und sahen die Traum­schiffe bei den Cruise-Days aus näch­ster Nähe.

Rein­er Zufall. Nicht geplant. Son­st war’s mit Liege­plätzten eher schwierig. Die Behlings waren schließlich in der Hoch­sai­son unter­wegs und da muss man oft schon mit­tags einen Hafen ange­laufen haben, um noch einen Liege­platz für die Nacht zu bekom­men. Und wenn nicht? Draußen vor dem Hafen Anker werfen.

Däne­mark bezaubert

Doch das mussten sie nicht. Ihre Reise hat­te sie bis nach Ebeltoft im Kat­te­gat (nordöstlich von Aarhus) geführt, ihren Kurs hat­ten sie dabei immer nur ein oder zwei Tage vorher fest­gelegt – je nach Wet­ter. Denn wenn Wind und Wellen heftig von der Seite kom­men und nur noch echte Segler richtig glück­lich machen, tut das Moto­ry­acht­en, bzw. ihrer Besatzung, nicht so gut: Ohne schw­eren Kiel und am Wind sta­bil­isierende Segel fan­gen Moto­ry­acht­en an zu rollen und sind dann buch­stäblich unkom­fort­a­bel. Es schwankt ohne Ende, und alles, was vorher nicht fest­gezur­rt war, fliegt kreuz und quer durch die Kabine. Ganz abge­se­hen davon, dass die Schaukelei auf der Fly, dem Steuer­stand hoch über dem Schiff, wenig angenehm ist und Kraft kostet, sich dage­gen zu stem­men oder irgend­wo festzuhalten.

Beza­ubernde Däne­mark-Per­spek­tiv­en von See aus — Foto unten: Steilküste Langeland

Wegen ungün­stiger Winde haben die Behlings ihre „Njörd“ dann auch schon mal einen oder zwei Tage im Hafen gelassen und auf mit­ge­führten Rädern das Land erkun­det. „Mit den Rädern ‘raus ins Umland und auch mal Museen angeschaut“ (Brit­ta Behling) war – neben dem Wun­sch „ein­fach auf dem Wass­er zu sein“ (Michael Behling) – sowieso ein Motiv ihres Däne­mark-Besuchs. Schließlich beza­ubert Däne­mark – ger­ade von der Ost­see-Per­spek­tive aus: San­ft hügelige Küsten­sil­hou­ette, manch­mal auch ein Steilufer (aber nicht sehr hoch), ein­same Gehöfte oder kleine Dör­fer, Felder, Kühe wie hinge­tupft in die Land­schaft und über all dem ein weit­er Him­mel, der die Erd­krüm­mung ahnen lässt.

Auf See gefahren sind die Behlings meist vier bis fünf Stun­den am Tag. Halt macht­en sie immer dort, wo es etwas an Land zu sehen gab. Und als bei­de das Coro­na-Virus pack­te, blieben sie eben schön brav in Quar­an­täne an Bord. Michael Behling: „Lang­weilig wurde es zu keinem Zeit­punkt – höch­stens, wenn es drei Tage hin­durch gereg­net hätte“. Hat es aber nicht. Ins­ge­samt hat­ten die bei­den mit dem Wet­ter richtig Glück: Ein für dänis­che Ver­hält­nisse extrem warmer Som­mer, viel Sonne, kaum ein Regen­tag. Nur abends wurde es schnell ziem­lich kühl. Wie sehr hat­ten sie sich gefreut, mal auf dem Achter­schiff den Grill anzufeuern – aber das machte nicht sehr oft Spaß: Meist zu kalt, um länger gemütlich draußen auf der Yacht zu sitzen.

Gefährlich war es nie. Zumin­d­est nicht bei ruhigem Wet­ter draußen auf See. Beim Anle­gen in vollen Häfen, beson­ders aber, wenn sich neben Frachtern auch mehrere Sport­boote in die Schleusen des Nor­dost­see-Kanals und ander­er Kanäle im Bin­nen­land drängten, war höch­ste Konzen­tra­tion gefordert. Auch da hat alles geklappt. Eine kleinere Reparatur (kaput­ter Impeller) und Ölwech­sel macht­en sie unter­wegs selbst.

Und son­st? Schön war’s, meinen bei­de. Der Fernse­her wurde an keinem Tag gebraucht.

Im näch­sten Jahr wollen sie allerd­ings mal wieder nach Hol­land und ins Wat­ten­meer, da waren sie jet­zt schon länger nicht mehr.

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